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Immobilienzeitung: Gastbeitrag von Prof. Dr. Robert Göötz 

16.03.2023

Wenn das ESG-Scoring in die Irre führt

Um die Eignung von Immobilien für nachhaltige Fonds zu prüfen, werden gerne Scoring-Modelle genutzt. Dabei kann ein Greenwashing-Effekt entstehen, sagt Real Blue-Geschäftsführer Robert Göötz. 

 

Bei Scoring-Modellen können Schwächen in einem Merkmal mit Übererfüllen in einem anderen verrechnet und so ausgeglichen werden. Aus der Mischung von Stärken und Schwächen entsteht eine gewichtete Durchschnittsnote mit entsprechend geringerer Aussagekraft bzw. mit einem möglichen Greenwashing-Effekt – je nachdem, wie die Methode der Balanced Scorecards angelegt ist. Hier ist also besondere Vorsicht geboten.

Wie kann so etwas passieren? Vergleichen wir beispielhaft zwei fiktive Wohnimmobilien: eine aus den 1980er Jahren mit einer gepflegten, großzügigen eingewachsenen Grünanlage, einer niedrigen Durchschnittsmiete und ausgewogenem Mietermix, aber baujahrestypischer Energetik. Die andere ist eine Neubau mit EPC A+, Zero Carbon und hohen Mieten. Beide können – je nach Machart der Scorecard – den gleichen ESG-Scoring-Wert erhalten, mithin gleichwertig nachhaltig erscheinen. Doch tatsächlich müsste der Neubau in puncto Nachhaltigkeit aufgrund der Energieeffizienz höher bewertet werden.

Ein weiteres Beispiel für die Fehleranfälligkeit von Scorings: Auf einer fiktiven Immobilie werden Dachflächen an einen Contractor vermietet, um dort erneuerbaren Strom zu erzeugen und ins öffentliche Netz einzuspeisen. Das Vorhandensein der Photovoltaikanlage wird positiv bewertet, obwohl die Immobilie und ihr Eigentümer selbst keinerlei Beitrag in Sachen Nachhaltigkeit geleistet haben, sondern der Contractor. Fehlerquellen in Balanced Scorecards ergeben sich also nicht nur in der Auswahl und Gewichtung der Kriterien, sondern auch in der korrekten Zurechnung.

Wie kann dem begegnet werden? Wichtige Einzelkriterien – wie zum Beispiel die Energieeffizienz – müssen immer absolut erfüllt werden und dürfen einen Mindeststandard nicht unterschreiten, sonst muss die Immobilie automatisch „durchfallen“, egal welche Extras das Objekt sonst bietet. Ein Verrechnen und damit ein Aufweichen der Kriterien muss tabu sein. Zudem ist es entscheidend, dass alle relevanten Faktoren in den Modellen überhaupt bewertet und diese Faktoren auch entsprechend stark gewichtet werden.

Nur wenn dies erfüllt wird, können Investoren sichergehen, dass die Immobilien die angestrebten Anforderungen an Nachhaltigkeit erfüllen und das Portfolio einen Mehrwert in puncto ESG wirklich leisten kann. Besser noch: Es wird auf Scoring-Modelle verzichtet und ein Set aus festen Kennzahlen bestimmt, welches eine Verrechnung verschiedener Faktoren gar nicht erst ermöglicht.

Erstveröffentlichung: Immobilienzeitung Nr. 11 Jahrgang 2023, März 2023

 

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