Private Banking Magazin: Gastbeitrag von Prof. Dr. Robert Göötz 

06.06.2023

Zwei erhebliche Fehlerquellen 

Immobilien: Nur so lassen sich Stranded Assets per CRREM vermeiden 

Prof. Dr. Robert Göötz, Geschäftsführer und verantwortlich für Risikomanagement und Organisation bei der Kapitalverwaltungsgesellschaft Real Blue, die zu Drees & Sommer gehört, über die Messung des CO2-Fußabdrucks von Immobilien.

Die Einhaltung von ESG-Kriterien hat sich zu einem entscheidenden Faktor für den Wert einer Immobilie entwickelt. Um diese zu erreichen, ist es unerlässlich, den CO2-Fußabdruck von Bestandsobjekten zu bewerten und sie entsprechend zu entwickeln. Der Carbon Risk Real Estate Monitor (CRREM) soll Stranded Assets identifizieren und kann hilfreich sein – sofern er richtig angewendet wird, so Robert Göötz.

Die Einhaltung von ESG-Kriterien, insbesondere im Hinblick auf Energieeffizienz und CO2-Einsparung, hat sich zu einem entscheidenden Faktor für den langfristigen Wert einer Immobilie entwickelt. Um dies zu erreichen, ist es unerlässlich, den CO2-Fußabdruck von Bestandsobjekten zu bewerten und sie entsprechend zu entwickeln. Der von der EU ins Leben gerufene Carbon Risk Real Estate Monitor (CRREM) soll dabei helfen, so genannte Stranded Assets zu identifizieren.

Ein Beispiel: Für eine voll vermietete Multi-Tenant-Büroimmobilie ergeben sich aus dem Verbrauch für Heizung, Kühlung, warmes Wasser und Nutzerstrom anteilig CO2-Emissionen, die umgerechnet werden in CO2-Äquivalente. Überschreiten diese Äquivalente den Dekarbonisierungspfad, wie er im CRREM-Tool hinterlegt ist, gilt ein Gebäude als „gestrandet“.

Wenn die Gefahr besteht, dass ein Gebäude „stranded“, muss der Immobilieneigentümer früh eingreifen und es technisch auf Stand bringen oder den Energieträger wechseln. Um die Qualität und den Wert von Bestandsgebäuden zu erhalten, ist es notwendig, rechtzeitig zu erkennen, wann und wie sie an veränderte Ansprüche angepasst werden können. Da das CRREM-Tool in der Praxis nicht einfach zu bedienen ist, kann es zu fehlerhaften Aussagen kommen, die wiederum Fehlentscheidungen des Eigentümers nach sich ziehen können.

Grundsätzlich birgt es zwei erhebliche Fehlerquellen: Erstens liegt ihm das internationale Flächenmaß „International Property Measurement Standard“ (IPMS) zugrunde und nicht etwa DIN- Flächen. Der IPMS-Standard soll auf den internationalen Immobilienmärkten für mehr Transparenz und Einheitlichkeit sorgen, um auf Fläche bezogene Kennzahlen direkt miteinander vergleichen zu können. Soweit die Theorie. Häufig wird in der Anwendung von CRREM irrtümlicherweise oder mangels Daten ein deutsches DIN-Maß zugrunde gelegt, was automatisch zu verfälschten Ergebnissen führt. Stimmt die Ausgangsbasis nicht, kann auch das Ergebnis nicht stimmen. Meist kommt man auf zu wenig verbrauchte Energie und zu viel Fläche. Ein weiteres Problem: Während hierzulande das DIN-Maß für alle Immobilienklassen gilt, wird bei IPMS für die einzelnen Assets die Fläche unterschiedlich erhoben.

Zweitens sind die korrekten Energiemengen – deren Zu- und Abrechnungen auf die korrekten Energieträger – entscheidend. Energie ist nicht gleich Energie und Energiedaten sind nicht gleich Energiedaten. Bedarfs- und Verbrauchsdaten, Witterungsbereinigung und andere Parameter sind vor der Eingabe in das Tool sorgfältig zu prüfen, insbesondere auch ein etwaiges Contracting, Eigenverbrauch oder Einspeisung von selbst erzeugter Energie.

Zu berücksichtigen ist zudem, dass in den bei CRREM hinterlegten Zielpfaden Immobilien immer als Ort interpretiert werden, an dem Energie verbraucht wird, egal von wem. Demnach gehört auch der Energieverbrauch des Nutzers dazu, aber nicht pauschal. Unterhält ein Nutzer eigene Produktionsprozesse, zählt die Energie faktisch zu einem industriellen Wertschöpfungsprozess und muss herausgerechnet werden. Denn sie ist bereits im Sektor „Industrie“ erfasst und würde ansonsten doppelt gezählt. Der Hintergrund für diese Regelung gründet auf der weltweiten Vergabe von CO2-Budgets. So hat der Weltklimarat Kontingente nach Nationen und auf deren Basis nach Sektoren festgelegt. 

Bei der Anwendung von CRREM ist also äußerste Präzision geboten. Ansonsten können falsche Annahmen und Voraussetzungen zu unkorrekten Ergebnissen führen. Schlimmstenfalls werden daraus Energie-Strategien entwickelt, die dem Immobilienportfolio erheblichen wirtschaftlichen Schaden zufügen können, zum Beispiel, wenn Stranding-Zeitpunkte berechnet werden, die Investitionsentscheidungen für energetische Modernisierungs-Maßnahmen beinhalten. Im Zusammenspiel mit den normalen Instandhaltungsmaßnahmen kann dies eine Summe ergeben, die zu einer falschen Verkaufsentscheidung führt. Deshalb müssen Energieverbräuche und CO2-Äquivalente korrekt erfasst und dargestellt und auf den internationalen Standard abgestellt werden. Nur so kann CRREM helfen, auch deutsche Immobilienbestände international vergleichbar zu machen und vor allem für Investoren langfristig wertstabil auszurichten.

Erstveröffentlichung: Private Banking Magazin, Juni 2023