Interview - Risiko CO2-Fußabdruck
The Property Post: Interview mit Real Blue zu Risiken im Immobilienportfolio
07.11.2023
CO2-Fußabdruck unbekannt
Risiken im Immobilienportfolio
Die Real Blue Kapitalverwaltungs-GmbH (Real Blue), der Investmentmanager der Drees & Sommer Gruppe, hat Asset Manager und institutionelle Investoren dazu befragt, wie sie ihre Immobilienportfolios hinsichtlich der Klimaziele analysieren und ertüchtigen. Im Interview mit The Property Post erläutern die Real-Blue-Geschäftsführer Prof. Dr. Robert Göötz und Michael Eisenmann, wie weit die Branche bei der Taxierung von CO2-Fußabdrücken für Immobilienportfolios bereits ist und welche Risiken sich aus fehlenden Daten ergeben.
The Property Post: Herr Göötz, laut Ihrer Umfrage beschäftigen sich zwar alle Befragten mit der Energieeffizienz ihrer Immobilien, doch nur rund 54 Prozent haben den CO₂-Fußabdruck konkret berechnet. Welche Gefahr sehen Sie hier?
Robert Göötz: Die hohe Unwissenheit über den CO₂-Fußabdruck des Immobilienportfolios zeigt, dass hier ein großer Handlungsbedarf besteht. Einerseits werden die regulatorischen Anforderungen weiter steigen. Andererseits ist bei der Analyse und Berechnung große Präzision notwendig. Bei der Anwendung beispielsweise von CRREM können falsche Annahmen und Voraussetzungen zu unkorrekten Ergebnissen führen. Schlimmstenfalls werden daraus Portfoliostrategien entwickelt, die dem Immobilienportfolio wirtschaftlichen Schaden zufügen können – so zum Beispiel, wenn Stranding-Zeitpunkte falsch berechnet werden, die Investitionsentscheidungen für Ertüchtigungsmaßnahmen beinhalten.
TPP: Wie hoch ist denn die Gefahr, dass Portfolios stranden und welche Handlungsmöglichkeiten gibt es?
RG: Der Anteil von Stranded Assets im eigenen Portfolio beträgt bei rund 40 Prozent der Befragten bis zu 25 Prozent. Etwa ein Fünftel (22 Prozent) geht sogar von einem Anteil zwischen 25 und 50 Prozent des eigenen Portfolios aus, welcher aktuell als Stranded Asset hinsichtlich des 1,5-Grad-Klimaziels eingestuft wird. Nur sechs Prozent haben aktuell keine solchen Immobilien im Bestand.
Die Zahlen belegen den hohen Handlungsdruck in den Immobilienportfolios. Wir vermuten, dass der Anteil von Stranded Assets noch höher ist, da ein Großteil der Marktakteure laut Umfrage ihre Portfolios noch nicht ausreichend analysiert hat. Um den Anteil im Portfolio zu verringern, müssen die Immobilien entweder energetisch optimiert oder in letzter Konsequenz veräußert werden.
TPP: Herr Eisenmann, es scheint, als würde der Ernst der Situation verkannt werden. Welche Konsequenzen drohen, wenn der Bestand nicht umfassend analysiert wird?
Michael Eisenmann: Das Problem auszusitzen ist keine Option und wäre geradezu fatal. Je länger hier keine Transformationsstrategie unter Einbezug der CO₂-Bilanz und insbesondere der wirtschaftlichen Perspektive für das Portfolio entwickelt und umgesetzt wird, desto größer werden die negativen Einflüsse auf den operativen Cashflow. Dies hat entsprechend Auswirkungen auf die Wertentwicklung bzw. den Verkaufserlös beim Exit. Derzeit diskutierte bzw. drohende Zwangsmaßnahmen wie Vermietungsverbote, Sanierungszwang bzw. Strafzahlungen für Stranded Assets könnten diesen Effekt verstärken.
TPP: Die regulatorischen Anforderungen und das damit verbundene Reporting sind für Investoren wie Asset Manager eine Herausforderung. Gibt es Ihrerseits eine Empfehlung?
ME: Die eine Lösung gibt es hier leider nicht. Gut wäre es, wenn sich die verschiedenen Initiativen, etablierte Reportinganbieter sowie Marktteilnehmer auf einen brancheneinheitlichen Standard einigen würden. Denn die vielfältigen Regularien und Reporting-Standards erschweren Investoren die direkte Vergleichbarkeit der ESG-Konformität von Objekten. Hier gibt es noch kein Verfahren, das mehrheitlich genutzt wird. Unsere Umfrage hat ergeben, dass rund 32 Prozent der Befragten GRESB nutzen, 23 Prozent ECORE und 41 Prozent haben einen eigenen Reporting-Standard entwickelt. Fast ein Drittel (32 Prozent) hat sogar noch gar kein Reporting eingeführt.
Zur Umfrage: An der Umfrage haben im Zeitraum vom 30. August 2023 bis zum 15. September 2023 23 Asset Manager und institutionelle Investoren teilgenommen, von denen 56 Prozent ein Immobilienvermögen von über einer Milliarde Euro betreuen. 29 Prozent haben Immobilien in den deutschen A-Standorten im Bestand, 45 Prozent an deutschen B-Standorten und 27 Prozent im restlichen Europa. In der Assetklasse Wohnen sind 42 Prozent der Befragten investiert, im Segment Büro 32 Prozent, im Einzelhandel zehn Prozent und in Logistik vier Prozent sowie in Hotel ein Prozent.
Erstveröffentlichung: The Property Post, November 2023